Montag, 13. Oktober 2008

Die verlorene grüne Jugend - Teil I (von II)

Bis 2006 war die grüne Welt noch in Ordnung. Unter dem Vorsitz von Alexander Van der Bellen durften bei jeder Wahl Gewinne bejubelt werden, auch wenn selbige nie so dramatisch gut waren, wie wir es uns derzeit einreden wollen. Dass das grüne Wählerpotential schon bei der NR-Wahl 2006 höher war, als tatsächlich ausgeschöpft wurde, haben uns die Rechtsparteien heuer eindrücklich vorgeführt. Eine halbe Million WechselwählerInnen zeugen von einer viel höheren Bereitschaft, Neuland zu entdecken, als man als gelernter Österreicher unserer Republik jemals zugetraut hätte.

Verhungern am gedeckten Tisch

Den Grossparteien laufen die WählerInnen in Scharen davon - keinesfalls zu Unrecht - und wir Grünen stehen ungläubig herum und sehen zu, wie selbst die Jugend an uns vorbeiläuft und bei Strache und Haider Unterschlupf sucht. Der Anteil an jungen GrünwählerInnen sank um 1/3 (!) von 2006 auf 2008 (Quelle: GfK Austria, Exit Polls (1986-2008)). Und das, obwohl den Grünen zu Recht immer noch Themenführerschaft in den Bereichen Umwelt- und Bildungspolitik zugestanden wird. Die grosse grüne Hoffnung, dass wir allein aus der demografischen Entwicklung heraus noch grosses Potential hätten, kann so also nicht erfüllt werden. Da braucht es keine Prophetin, und mich selbst schon gar nicht, zu erkennen, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben. Ich weigere mich allerdings partout, davon zu reden, es habe einen Rechtsruck bei den Jugendlichen gegeben. Als Jugendstadtrat in Dornbirn habe ich seit Jahren mit genau den gleichen Jugendlichen zu tun, die vor zwei Jahren grün gewählt haben und dieses mal eben blau. Die Hosen sitzen immer noch gleich tief, die jugendlichen Gruppenbildungen und die entsprechenden Rivalitäten laufen immer noch nach dem selben Muster ab.

Wer gute Antworten will, muss die richtigen Fragen stellen

Eva Glawischnig startet richtigerweise gleich mit einem breiten Diskussionsprozess in ihre neue Funktion als designierte Bundessprecherin: erst zuhören, dann fragen! Meine Wenigkeit macht das nicht anders, wenn auch nicht in diesem Massstab. Was mir bisweilen in vielen längeren und trotzdem nie mühsamen Gesprächen klar wurde, ist der Verlust des Revolutionspotentials. Wir sind in der Gunst der Jugendlichen durchgefallen, weil wir ihre Themen nicht mehr anrühren. Wenn letzte Woche 50 Jugendliche in Bregenz für einen "Freiraum zur kulturellen Entfaltung und Selbstverwirklichung [für] Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten" demonstrierten, dann waren wir Grünen nicht dabei. Wenn es letztes Jahr in Vorarlberg eine (mit Verlaub) ziemlich idiotische Neufestlegung der Altersgrenzen für Alkoholkonsum gab, dann hielt sich der Aufschrei der Grünen in Grenzen (ich nehme mich da nicht aus!). Wenn es um die Legalisierung von Haschisch geht, dann ist die Diskussion hiezu seit Jahren völlig am Boden. Eine einzige geniale Wortschöpfung der ÖVP hat gereicht: Das Mantra "Haschtrafik" wurde uns so oft in die Haare geschmiert, dass mittlerweile sogar die Jugendlichen der Meinung sind, Haschisch sei wesentlich gefährlicher als Alkohol.

Eva spricht von nicht erreichten WählerInnen, obwohl wir für viele Probleme die richtigen Lösungen haben. Doch haben wir das wirklich? Aus jugendlicher Sicht dürfen wir eine intelligente Bildungspolitik auf der Habenseite verbuchen. Wahrgenommen wird dies allerdings nur von einer bürgerlichen Bildungsschichte. Die Breite Masse fühlt sich dadurch nicht angesprochen. Für diese ist Schule kein Ort der Bildung, sondern ein notwendiges Übel, das es durchzustehen gilt, bevor das richtige Leben beginnt. Der Wegfall von Studiengebühren führt bei Lehrlingen höchstens zu Stirnrunzeln. Das einzig wirkliche Asset ist die Umweltpolitik, wo uns parteiübergreifend Kompetenz zuerkannt wird. Es war sicherlich nicht leicht, die hohen Energiepreise mit dem Argument "Energiewende" zu kontern, aber meiner Einschätzung nach dürfte es uns gelungen sein, sonst wären wir vermutlich tief im einstelligen Prozentbereich gelandet. Jedenfalls sind Jugendliche nach wie vor sensibler als die Restbevölkerung, was unsere Umwelt betrifft. Die Ideenkonkurrenz mit dem Themenkomplex "Arbeitsplatz" wird erst in späteren Jahren evident, wenn man Familien gründet, Häuser baut, und Kontoauszüge mit negativen Vorzeichen zur Norm werden.

Ende Teil I
Teil II erscheint in Kürze
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